ZU WENIGE PLÄTZE, KAUM BAUFORTSCHRITT, HÄUFIG NOTBETREUUNG, FACHKRÄFTE UNZUFRIEDEN

Mit insgesamt 861 Teilnehmern erfuhr die Umfrage des Kreiselternausschusses Südliche Weinstraße (KEA SÜW) zum aktuellen Stimmungsbild in den Kitas des Landkreises einen erfreulich hohen Zuspruch. Weniger erfreulich fallen allerdings die Ergebnisse zum Teil aus. Über die Hälfte der Eltern sowie mehr als ein Fünftel der Kita-Fachkräfte wissen nicht, ob es einen Maßnahmenplan in ihrer Einrichtung gibt oder kennen dessen Inhalte nicht. Der Maßnahmenplan regelt, wie und in welchem Umfang bei Personalausfall pädagogische Angebote ausfallen oder Betreuungszeiten reduziert werden müssen und kommt aktuell sehr häufig zum Tragen: Ungefähr 60 % der teilnehmenden Fachkräfte und Kita-Leitungen geben an, dass regelmäßig pädagogische Angebote ausfallen müssen. Spitzenreiter bei den Betreuungseinschränkungen sind die Einrichtungen der katholischen Kirche. Fast die Hälfte der Teilnehmer gibt an, dass es dort regelmäßig oder ständig zur Reduzierung der Öffnungszeit oder zur Notbetreuung kommt. In den meisten Fällen werden den Eltern diese Einschränkungen erst am Tag davor oder sogar erst morgens an der Kita-Tür mitgeteilt.

Deutlich erkennbar zeigt die Umfrageauswertung den Zusammenhang zwischen diesen sehr kurzfristigen Einschränkungen der Betreuungszeit und der Verfügbarkeit von Vertretungskräften. „Uns überrascht, dass Fachkräfte evangelischer Kitas 6-mal häufiger als ihre katholischen Kolleginnen mit „Ja“ auf die Frage antworten, ob ihnen ausreichend Vertretungskräfte zur Verfügung stehen“, bemerkt Christian Strecker, Vorsitzender des KEA SÜW. „Wir hätten erwartet, dass sich der Fachkräftemangel überall gleichermaßen auswirkt. Den Umfrageergebnissen und Kommentaren zufolge gibt es aber offensichtlich deutliche Unterschiede bei der Attraktivität als Arbeitgeber bei den Trägern.“

Der zu geringe Personalschlüssel und der Wegfall der Personalanteile für 2-jährige Kinder (U3) werden in den Kommentaren der Umfrage häufig bemängelt. Die Personalzuschläge für U3-Kinder sind allerdings nicht einfach weggefallen, sie wurden vielmehr mit den Anteilen Über-3-Jähriger (Ü3) zu einem „Durchschnittswert“ verrechnet. „Dieser Durchschnittswert mag zu gering ausfallen. Die Evaluation des Personalschlüssels dürfte aber sehr schwerfallen, solange Ausfälle durch Krankheit, Urlaub oder Fortbildung nicht – wie gesetzlich vorgeschrieben – angemessen kompensiert werden und die Kita-Teams permanent unterbesetzt arbeiten“, führt Strecker weiter aus.

Ebenfalls erschreckend gering fiel der Anteil der Teilnehmer aus, die das Platzangebot als ausreichend empfinden. Lediglich 12 % gaben an, ihre Kita verfüge über ausreichend Betreuungsplätze. Laut aktueller Bertelsmann-Studie ist die Lage im Bereich der Unter-3-jährigen hier besonders gravierend. Für den Landkreis SÜW wurde demzufolge ermittelt, dass für jedes dritte Kind mit Betreuungsbedarf kein Kita-Platz vorhanden wäre.

Hinzukommend zeigt sich das Voranschreiten der Kita-Erweiterungen oder Neubauten als sehr träge. In 89 % der abgegebenen Antworten wird der Baufortschritt mit „langsam“ bis hin zu völligem Stillstand bewertet.

Beim Betreuungsangebot zeigt sich zudem ein weiteres Defizit: Die angebotenen Betreuungszeiten sind für fast die Hälfte der teilnehmenden Eltern nicht ausreichend. Die Lücke in der Betreuung schließen fast ausschließlich Familie oder Freunde. Dieser Wert überrascht in negativer Hinsicht, gaben doch bei einer KEA-Umfrage 2022 „lediglich“ ein Viertel der Eltern an, kein bedarfsgerechtes Betreuungsangebot erhalten zu haben.

Die Umfrageergebnisse in Bezug auf die allgemeine Zufriedenheit der Fachkräfte decken sich im Wesentlichen mit den Erkenntnissen der kürzlich veröffentlichten Studie des Kita-Fachkräfteverbands RLP. Die Rahmenbedingungen führen in den Einrichtungen zu hoher Arbeitsbelastung und Frustration. Durch die sehr umfangreiche Analyse des Fachkräfteverbands wurde nun auch transparent, wo im Detail die Überlastung begründet ist. Wenige dieser Umstände sind jedoch direkte Folgen des neuen Kita-Gesetzes, auch wenn der Titel der Studie das vermuten lässt.

„Es liegt auch in der Hand der Verantwortlichen vor Ort, wie sich die Situation in den Kitas weiterentwickelt. Das neue Gesetz lässt an vielen Stellen großen Handlungsspielraum zu. Jetzt gilt es, diesen im Sinne der Fachkräfte und der Kinder zu nutzen. Wenn bestehende Möglichkeiten weiterhin brachliegen bleiben, wird sich die Situation zunehmend verschlechtern!“, fällt das Fazit des KEA-Vorsitzenden aus.

Hier finden Sie die detaillierten Ergebnisse der Umfrage:

ELTERN MÜSSEN LEIDER DRAUSSEN BLEIBEN!

Diesen Satz hören Eltern mancherorts, wenn sie die Kita ihrer Kinder betreten wollen. Der Landeselternausschuss teilt in einem mit dem Bildungsministerium und dem Landesjugendamt abgestimmten Schreiben nun mit, dass es nicht legal ist, den Eltern grundsätzlich den Zutritt zu den Räumlichkeiten zu verwehren!

Was steckt dahinter?
Während der Corona-Pandemie wurde in vielen Kindertagesstätten die Regelung eingeführt, dass die Eltern beim Holen und Bringen der Kinder nicht in die Einrichtung dürfen. Aus Gründen des Infektionsschutzes mussten die Kinder mit Sack und Pack an der Tür abgegeben werden. Am Nachmittag durfte man dann sein Kind inklusive, hoffentlich vollständigem Gepäck (es fehlte nicht selten Matschhose, Trinkflasche oder das Lieblingskuscheltier), wieder abholen.
Diese Regelung fand neben Kritikern auch viele Anhänger unter den Eltern. Manche Eltern empfanden es als positiv, die Kinder morgens zuhause einmal einpacken und dann nicht ein paar Minuten später in der Kita wieder auspacken zu müssen. Viele Eltern berichteten auch, dass den Kindern der Abschied auf diese Art einfacher fiele. Andererseits fehlt durch dieses Vorgehen jeglicher Einblick in die Umgebung, in der das Kind einen großen Teil seines Tages verbringt. Der obligatorische Blick in die Kiste mit den Ersatzkleidern oder die Windelbox ist so ebenfalls nicht möglich. Ein kurzes Gespräch zwischendurch mit jemandem vom Team, wie denn der Tag so war und ob es Probleme gab, wird hierdurch ebenfalls deutlich erschwert.

Für das Kita-Personal bedeutet dies einen enormen Mehraufwand, muss doch in der Hol- und Bringzeit immer jemand an der Tür auf die Kinder warten, diese dann umziehen und Utensilien wie Frühstücksbox und Trinkflasche versorgen. In dieser Zeit fehlen die Erzieherinnen dann natürlich auch in den Gruppen. Dennoch überwiegen mancherorts die Vorteile für das Personal, sodass diese Regelung beibehalten wurde. Wo sich Eltern darüber beschweren, wird mit dem Hausrecht argumentiert und im Härtefall mit Kündigung des Betreuungsvertrages gedroht. Man könne sich ja eine Einrichtung suchen, in der einem die Konzeption mehr zusagt.

Landeselternausschuss, Bildungsministerium und Landesjugendamt haben hierzu eine klare, gemeinsame Aussage:

Eltern haben ein grundsätzliches Betretungsrecht der Einrichtung in der Hol- und
Bringsituation. Dieses Recht der Eltern muss die Regel sein und darf nicht nur auf Einfordern gewährt werden
!

Eine pauschale einrichtungsweite und dauerhafte alternative Lösung (z. B. Abgabe des
Kindes im Windfang oder am Gartenzaun) ist gegen den Willen auch einzelner Eltern
grundsätzlich nicht zulässig,

Begründet ist dies u.a. durch den fachlichen Stand der Bildungs- und Erziehungsempfehlungen, wo die Übergabesituation als wesentlicher Bestandteil einer gelebten Bildungs- und Erziehungspartnerschaft definiert ist.

Eltern, denen der Zutritt zur Kita dennoch verwehrt wird, sollten zunächst mit Elternausschuss, Leitung und Träger ins Gespräch gehen. Hierzu darf gerne auch das Schreiben den Landeselternausschusses als Argument mitgenommen werden. Führen die Gespräche nicht zu einer gemeinsamen Lösung, stehen die zugehörigen KEA´s / StEA´s und auch der LEA als Ansprechpartner und Vermittler zur Verfügung. Erst wenn diese Möglichkeiten ausgeschöpft sind, sollten Eltern von ihrem Beschwerderecht beim Landesjugendamt Gebrauch machen.

Hier finden Sie das benannte Schreiben:

Ene, mene, muh und raus bist du

Der Schrei nach Strafen für Fehlverhalten bei Eltern und Kindern hallt durch die Kita-Welt. Vielleicht ein Schrei der Hilflosigkeit? Auf jeden Fall ein Schrei fachlicher Inkompetenz und ein fadenscheiniger Deckmantel für Exklusion von allem, was stört!

„Es könnte alles so einfach sein, wenn da nicht die lästigen Eltern mit den eigenen Alltagsproblemen wären. Und auch die Kinder werden immer mehr zum Störfaktor, wenn sie nicht in den vorhandenen Rahmen passen“, treibt Karin Graeff, Vorsitzende des Landeselternausschusses Rheinland-Pfalz (LEA RLP) die Haltung, die ihrer Ansicht nach hinter dem Heidenheimer Regelkatalog steht, auf die Spitze. Sie und der gesamte Vorstand lehnen das Vorgehen der baden-württembergischen Stadt, durch ein vertraglich geregeltes Sanktionssystem hart gegen Familien durchgreifen zu können, kategorisch ab. Leider beschränken sich solche Praktiken keinesfalls auf andere Bundesländer. „Auch in Rheinland-Pfalz wurden uns bereits erste Konzepte zum geregelten Ausschluss verhaltensauffälliger Kinder vorgelegt“, weiß Graeff zu berichten. „Das gängeln unbequemer Eltern ist ohnehin keine Neuigkeit.“

In der Regel läuft es gut, aber…

„In einem Großteil unserer Kitas arbeiten Team und Träger familienorientiert und darüber sind wir sehr froh und dankbar“, stellt Gordon Amuser, stellvertretender Vorsitzender des LEA, klar. „Allerdings gehen bei uns auch täglich Meldungen ein, die ein deutlich anderes Bild zeichnen.“ Die Palette reicht von Regelverstößen bei den Wahlen von Elterngremien über Vernachlässigung von Trägeraufgaben und Verweigerung von Mitwirkungsrechten, bis zu verletzendem Verhalten in Kitas. Die Auflistung der Fehlverhalten und Sanktionspraktiken ist nicht abschließend.

Beim LEA melden sich nicht nur verzweifelte Eltern, sondern auch Kita-Personal, das die Zustände vor Ort nicht länger hinnehmen kann. Die meisten Fälle sollen anonym behandelt werden, weil die Betroffenen Angst vor weiteren Konsequenzen haben. Oft genug zu Recht, denn sobald sich beratende Instanzen, wie das Jugendamt, bei der Kita gemeldet haben, geht vor Ort die „Hexenjagd“ los. „Die Ursache für die Beschwerde ist in diesen Fällen dann nicht wirklich von Bedeutung“, erläutert Amuser. „Es geht nur noch darum, den „Maulwurf“ zu entlarven und mundtot zu machen.“ Schnell werden Gründe wie Fehlverhalten und Vertrauensverlust gefunden, um die Störenfriede unter Druck zu setzen oder gleich ganz aus der Kita zu schmeißen.

Das entspricht nicht gerade dem gesetzlich verankerten inklusiven Anspruch, der sich uneingeschränkt an alle Kitas in RLP richtet. Hier geht es immerhin darum allen Kindern entsprechend ihren individuellen Fähigkeiten gleiche Entwicklungs- und Bildungschancen zu bieten und das unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer ethnischen Herkunft, ihrer Nationalität, ihrer weltanschaulichen und religiösen Zugehörigkeit, einer Behinderung und der sozialen und ökonomischen Situation ihrer Familie. Kitas sollen dabei berücksichtigen, dass jedes Kind auf seine Art besonders ist und Heterogenität, unterschiedliche Lebens- und Familiengeschichten sowie Individuen als Bestandteil des Kita-Alltages auffassen.

Heißt das, es gibt gar kein Fehlverhalten bei Eltern und Kindern?

„Doch, natürlich gibt es das und damit muss auch umgegangen werden“, betont Graeff. „Ein erster Schritt wäre es, von dem Begriff Fehlverhalten beziehungsweise der damit verbundenen ablehnenden Haltung wegzukommen“. In Rheinland-Pfalz gehört die Bildungs- und Erziehungspartnerschaft zu den Grundpfeilern der frühkindlichen Förderung. Dabei geht es darum, für unsere Kinder in den Kitas einen Rahmen zu schaffen, in dem sie sich gesund entwickeln können. Wir haben auch eine gesetzliche Definition, wer dafür zuständig ist: die Verantwortungsgemeinschaft bestehend aus Eltern, pädagogischen Fachkräften, Leitungen und Trägern der Tageseinrichtung sowie die Jugendämter auf örtlicher und Landesebene. Der LEA hält die Arbeit an der Qualität der Zusammenarbeit der Verantwortungsgemeinschaft für die zielführendste Möglichkeit sogenanntem Fehlverhalten zu begegnen. Die Eltern sind dabei keine Konsumenten einer Dienstleistung Kita, sondern Partner auf Augenhöhe. „Überall dort, wo das nicht oder nicht in ausreichendem Maße gelebt wird, hören wir von Unstimmigkeiten zwischen Kita und Familien und dem Wunsch, diese durch Exklusion von Kindern oder Eltern aus dem Weg zu schaffen“, so Graeff. „In solchen Kitas erleben wir besonders häufig die noch immer präsenten Bedenken, Kinder vor ihrem zweiten Geburtstag in eine Einrichtung zu geben“.

Exklusion als unpassendes Überdruckventil

Wenn das Verhalten von Kindern oder Eltern in den Kitas nicht in die eigene Vorstellung passt und als störend empfunden wird, richtet sich der Blick – mit Recht – auch auf die Strukturen im System.

Natürlich steht hier der Personalmangel ganz oben auf der Liste. Dieser gehört definitiv zu den größten aktuellen Herausforderungen für das gesamte Kita-System. Das heißt jedoch nicht, dass er als Rechtfertigung für fachliche und rechtliche Fehltritte herangezogen werden darf. In Rheinland-Pfalz haben Vertreter:innen aller Interessensgruppen des Kita-Systems ein Kompendium zur Fachkräftesicherung und -gewinnung erarbeitet. Dort werden zahlreiche wichtige und vor allen Dingen kurzfristig umsetzbare Lösungsansätze gegen den Personalmangel vor Ort zusammengetragen. Die konsequente Umsetzung des Kompendiums, durch die Verantwortungsgemeinschaft, muss jetzt oberste Priorität haben.

Auch das alte Lied von der „störenden“ Beitragsfreiheit wird wieder gesungen, sobald etwas in den Kitas nicht rund läuft. „Dieses Lied war schon immer ein misstönendes“, weiß Amuser zu berichten: „Die Elterngebühren, die es in Rheinland-Pfalz einmal gab, waren nicht zweckgebunden, sondern flossen in den allgemeinen Haushalt ab. Bei der jüngsten Debatte um die Wiedereinführung der Kita-Elternbeiträge war beispielsweise das Ziel, Geld für den Straßenbau zu generieren!“

Zudem hat die Binsenweisheit „Was nichts kostet, ist auch nichts wert“, die in diesem Zusammenhang immer wieder ins Spiel gebracht wird, in einem System, das Kindern gelebte Demokratie beibringen soll, nichts verloren. „Die Elterngremien auf allen Ebenen arbeiten grundsätzlich unentgeltlich und das oft viele Stunden die Woche. Wir denken nicht diese Arbeit sei nichts wert, nur weil sie nicht von der Kita entlohnt wird und der Kita hier somit keine Kosten entstehen“, führt Graeff aus. „Es geht doch um etwas viel Wichtigeres als Geld. Es geht um unsere Kinder!“ Ganz davon abgesehen, liegt die Strafen-Stadt Heidenheim in Baden-Württemberg, einem Bundesland ohne Beitragsfreiheit, was alleine die fragwürdige Aussage ad absurdum führt.

Statt längst überholte Strukturen und Machtpositionen zu verteidigen oder zurückzuholen, muss sich die Verantwortungsgemeinschaft – überall dort, wo das nicht bereits geschehen ist – dem gesellschaftlichen Wandel stellen und anfangen das zu tun, was schon in ihrem Namen verankert ist: gemeinsam Verantwortung übernehmen.