EMPFEHLUNG DES LANDESJUGENDHILFEAUSSCHUSSES ZUR INKLUSIVEN ARBEIT IN KITAS

Nicht nur durch das neue Kita-Gesetz ver­än­der­te sich der Anspruch an die Kin­der­ta­ges­stät­ten hin­sicht­lich der Betreu­ung benach­tei­lig­ter Kin­der in den ver­gan­ge­nen Jah­ren grund­le­gend. Die Grund­hal­tung zur Inklu­si­on ins­ge­samt ist im Wan­del, was an eini­gen sys­te­mi­schen und recht­li­chen Ver­än­de­run­gen in den letz­ten Jah­ren deut­lich erkenn­bar ist. Neben dem inklu­si­ven Anspruch des rhein­land-pfäl­zi­schen Kita-Geset­zes trat 2021 auch das Kin­der- und Jugend­stär­kungs­ge­setz — KJSG in Kraft. Hin­zu kom­men wei­te­re gesetz­li­che Vor­ga­ben, u.a. durch das Bun­des­teil­ha­be­ge­setz (BTHG), das Gesetz zur Reha­bi­li­ta­ti­on und Teil­ha­be von Men­schen mit Behin­de­run­gen (SGB IX), das Lan­des­ge­setz zur Aus­füh­rung des Neun­ten Buches Sozi­al­ge­setz­buch (AGSGB IX) sowie die UN-Behin­der­ten­rechts­kon­ven­ti­on (UN-BRK).

Die gesetz­li­chen Grund­la­gen der Inklu­si­on sind also sehr viel­fäl­tig. Doch wie kön­nen die­se Anfor­de­run­gen im Kita-All­tag umge­setzt werden?

Die­se Fra­ge zu beleuch­ten war Auf­ga­be einer Arbeits­grup­pe, die im Auf­trag des Lan­des­ju­gend­hil­fe­aus­schus­ses ihre Emp­feh­lung zur inklu­si­ven Arbeit in Kin­der­ta­ges­stät­ten in Rhein­land-Pfalz ver­öf­fent­licht hat. 

Das Doku­ment betrach­tet, unter wel­chen Vor­aus­set­zun­gen Inklu­si­on in Regel-Kitas gelin­gen kann. Der Arbeits­kreis kommt zu dem Schluss, dass Inklu­si­on in regu­lä­ren Kitas nur begrenzt mög­lich ist und z.B. für schwerst mehr­fach behin­der­te Kin­der, auch trotz der Maß­ga­be, dass Kin­der­ta­ges­be­treu­ung allen Kin­dern unab­hän­gig von einer Behin­de­rung oder ihren indi­vi­du­el­len Fähig­kei­ten glei­che Ent­wick­lungs- und Bil­dungs­chan­cen bie­ten soll (§ 1 Abs. 2 KiTaG), die Erfor­der­nis spe­zi­ell aus­ge­stat­te­ter und inklu­si­ver Ein­rich­tun­gen wei­ter­hin besteht.
Die Vor­aus­set­zun­gen für eine gelun­ge­ne Inklu­si­on unter­glie­dert die Arbeits­grup­pe in fol­gen­de Kategorien:

  • Hal­tung der Verantwortungsgemeinschaft
  • Räum­li­che Ausstattung
  • Sach­li­che Ausstattung
  • Per­so­nal
  • Ver­net­zung
  • Kon­zep­tio­nel­le Gestaltung

Vie­le Kin­der mit beson­de­ren Bedar­fen kön­nen nach Ein­schät­zung der Arbeits­grup­pe in regu­lä­ren Kitas gut betreut wer­den. Hier­bei wird je nach Inten­si­tät des Mehr­auf­wan­des davon aus­ge­gan­gen, dass die­ser zum Teil auch durch den regu­lä­ren Per­so­nal­schlüs­sel abge­deckt sei.
Für Kin­der, deren dia­gnos­ti­zier­tem Mehr­be­darf über weni­ge Stun­den am Tag hin­aus geht, bestehen dar­über hin­aus ver­schie­de­ne Mög­lich­kei­ten, Bedin­gun­gen zu schaf­fen, die die Erfül­lung der Bedürf­nis­se aller Kin­der ermög­li­chen, z.B. durch zusätz­li­ches Per­so­nal (“I‑Kraft”). Die­se müs­sen dann durch die Ein­glie­de­rungs­hil­fe orga­ni­siert und finan­ziert werden.

Die Zustän­dig­keit für die Ein­glie­de­rungs­hil­fe für Kin­der und Jugend­li­che mit Behin­de­run­gen bis zum Alter von 18 Jah­ren wur­de im Jahr 2018 durch das AGSGB IX den Land­krei­sen und kreis­frei­en Städ­ten über­tra­gen. Dies bedeu­tet, dass die Haupt­ver­ant­wor­tung bei der Sozi­al­be­hör­de der Land­krei­se und Städ­te liegt — und somit auch die Bedarfs­pla­nungs- und Kostenverantwortung.

Je nach Ursa­che für die Ein­schrän­kung kön­nen z.B. die Trä­ger der gesetz­li­chen Unfall­ver­si­che­rung, die gesetz­li­chen Kran­ken­kas­sen oder die Trä­ger der gesetz­li­chen Ren­ten­ver­si­che­rung leis­tungs­ver­pflich­tet sein. Hier kann zusam­men mit dem öffent­li­chen Trä­ger der Ein­glie­de­rungs­hil­fe (Abtei­lung Sozia­les der Kreis­ver­wal­tung) ein Gesamt­plan­ver­fah­ren ange­strebt wer­den, um den indi­vi­du­el­len Bedarf des Kin­des abzudecken.

Inwie­fern die­se Emp­feh­lun­gen vor Ort umsetz­bar sind, hängt sicher an vie­len Fak­to­ren. Eine pau­scha­le Aus­sa­ge, ob mit­hil­fe die­ser Emp­feh­lun­gen die Inklu­si­on vor Ort ver­bes­sert wer­den kann, lässt sich sicher nicht tref­fen. Wir freu­en uns aber über jeden Erfah­rungs­be­richt aus dem Kita-All­tag. Schi­cken Sie die­sen ger­ne per Mail an post@keasuew.de

Wei­te­re Infor­ma­ti­ons­quel­len:
Inklu­si­on . Kita Rhein­land-Pfalz
IKJHG‑E | DIJUF
Bil­dung und Teil­ha­be | KV SÜW

KITA-SOZIALARBEIT — EIN ERFAHRUNGSBERICHT

In 33 der 76 Kitas im Land­kreis SÜW ist sie ein Begriff — Die Kita-Sozi­al­ar­beit. Sie ist fes­ter Bestand­teil des Sozi­al­raum­bud­get-Kon­zepts, wel­ches mit dem neu­en Kita-Gesetz ein­ge­führt wur­de. Mehr als ein Drit­tel der über 2 Mil­lio­nen Euro jähr­lich wer­den in SÜW für die Kita-Sozi­al­ar­beit auf­ge­wen­det. Sie ist somit ein wich­ti­ger Bau­stein der Kin­der- und Jugend­hil­fe. Doch was steckt dahin­ter? Das vom Jugend­amt SÜW und den Trä­gern der Jugend- und Fami­li­en­be­ra­tungs­stel­len erar­bei­te­te Rah­men­kon­zept gibt einen Über­blick über Ange­bo­te und Leis­tun­gen. Doch wie kann die­ses Kon­zept vor Ort mit Leben gefüllt wer­den? Wir möch­ten mit die­sem Erfah­rungs­be­richt aus dem Krei­se der von der Sozi­al­ar­beit pro­fi­tie­ren­den Eltern einen klei­nen Ein­blick gewähren.


Ein Cof­fee-to-go-Stand an der Kita

Etwas über­rascht waren die Kita-Eltern der Pro­tes­tan­ti­schen Kin­der­ta­ges­stät­te Son­nen­strahl in Essin­gen, als sie an einem küh­len Mitt­woch­vor­mit­tag ihre Kin­der zur Bring­zeit in den Kin­der­gar­ten beglei­te­ten. Neben dem Haupt­ein­gang der Kita lud ein klei­ner, aber sehr geschmack­voll ein­ge­rich­te­ter Infor­ma­ti­ons­stand zum Ver­wei­len ein. Begrüßt wur­den die Eltern von Miri­am Wei­sen­bur­ger mit den freund­li­chen Wor­ten „Darf ich Sie auf einen Cof­fee to go einladen?“.

So erging es an die­sem Mor­gen auch mir, zwei­fa­che Mama aus Essin­gen und Eltern­aus­schuss­mit­glied der Kita Son­nen­strahl. Nach­dem ich mei­ne Toch­ter in ihre Kin­der­gar­ten­grup­pe gebracht hat­te, ließ ich mir drau­ßen am Cof­fee to go-Stand einen Becher war­men Kaf­fee ein­schen­ken und kam sogleich mit Frau Wei­sen­bur­ger ins Gespräch. Frau Wei­sen­bur­ger stell­te sich mir als neue Kita-Sozi­al­ar­bei­te­rin vor, die bereits seit dem neu­en Kita­jahr bei uns in der Ein­rich­tung tätig ist. Gehört und eben­falls über die Kita-Eltern-App gele­sen, hat­te ich bereits von unse­rer neu­en Kita-Sozi­al­ar­bei­te­rin; doch umso schö­ner fand ich es nun ein per­sön­li­ches Gesicht vor Augen zu haben.

Bei nähe­rer Betrach­tung des Infor­ma­ti­ons­stands befand sich neben der Kaf­fee­ma­schi­ne, die an die­sem Mor­gen für das lecke­re Heiß­ge­tränk gesorgt hat­te, noch ein Fly­er, der Frau Wei­sen­bur­gers Tätig­keits­feld näher beschrieb sowie eine Visi­ten­kar­te mit ihren Kon­takt­da­ten. Wie zu einem Kar­ten­spiel auf­ge­fä­chert, lagen zudem klei­ne Affir­ma­ti­ons­kar­ten zum Mit­neh­men aus und so griff auch ich nach einer Moti­va­ti­ons­kar­te, die mir schon beim ers­ten Vor­bei­lau­fen ins Auge gesprun­gen war.

An die­sem Mor­gen ent­schied ich mich dazu etwas län­ger am Haupt­ein­gang unse­rer Kita ste­hen zu blei­ben, denn mitt­ler­wei­le sind auch wei­te­re Eltern auf den Infor­ma­ti­ons­stand auf­merk­sam gewor­den und gesell­ten sich zu Frau Wei­sen­bur­ger und mir dazu. So lausch­te ich den Gesprä­chen am „Cof­fee-to go-Stand“ und hielt mit (mir bis­her noch frem­den) Eltern den ein oder ande­ren Smalltalk.

Zu Hau­se ange­kom­men, betrach­te­te ich die Affir­ma­ti­ons­kar­te genau­er, die eine ruhi­ge Natur­land­schaft mit zahl­rei­chen Ber­gen und einem sich durch Bäu­me hin­durch­schlän­geln­den Fluss dar­stell­te. Gegrif­fen hat­te ich zu die­ser Kar­te, da ich mich mit der Natur ver­bun­den füh­le und dort stets die nöti­ge Ruhe fin­de, aber auch neue Kraft und Ener­gie tan­ken kann.

Sogleich schoss es mir durch den Kopf: „Aber wie sieht es denn mit den Mama‘s und Papa‘s aus, die zur­zeit wenig Kraft und Ener­gie haben, viel­leicht an fami­liä­ren Ängs­ten und Sor­gen lei­den und nicht mehr wis­sen wohin mit ihrer Besorg­nis? Kann da die Kita-Sozi­al­ar­beit unter­stüt­zen und wenn ja, wie sehen die­se unter­stüt­zen­den Maß­nah­men genau aus?“

Da mir die­se Gedan­ken kei­ne Ruhe lie­ßen, ent­schied ich mich im Rah­men mei­ner ehren­amt­li­chen Tätig­keit als Eltern­aus­schuss­mit­glied Frau Wei­sen­bur­ger um einen gemein­sa­men Aus­tausch zu bitten.

Bereits eine Woche spä­ter tra­fen Frau Wei­sen­bur­ger und ich uns in der Kita Son­nen­strahl. Ich lob­te Frau Wei­sen­bur­ger für ihre tol­le Cof­fe-to go-Akti­on, berich­te­te ihr von den posi­ti­ven Rück­mel­dun­gen aus der Eltern­schaft und erzähl­te ihr von mei­nen vie­len Fra­gen. Begeis­tert war ich, dass Frau Wei­sen­bur­ger sich an die­sem Vor­mit­tag in einem 1 ½‑stündigen Inter­view die Zeit nahm, um auf alle mei­ne Fra­gen einzugehen.

Inter­view mit der Kita-Sozi­al­ar­bei­te­rin Miri­am Weisenburger

Frau Wei­sen­bur­ger, was ver­steht man unter der Kita-Sozi­al­ar­beit?
Die Kita-Sozi­al­ar­beit ist recht neu (seit 2021) und bei vie­len Eltern noch unbe­kannt. In Essin­gen wird die Kita Son­nen­strahl durch das Ange­bot der Kita-Sozi­al­ar­beit erwei­tert, die ein wesent­li­cher Bau­stein in der Umset­zung des Sozi­al­raum­bud­gets im Land­kreis Süd­li­che Wein­stra­ße ist. Die Kita-Sozi­al­ar­beit ist an die Jugend- und Fami­li­en­be­ra­tungs­stel­le in Herx­heim ange­bun­den und wird regel­mä­ßig vor Ort in der Kita ange­bo­ten.
Grund­ge­dan­ke der Kita-Sozi­al­ar­beit ist: „Alle Kin­der sol­len von Anfang an die glei­chen Ent­wick­lungs­chan­cen bekom­men.“ Das heißt, die Hil­fe soll nicht nur früh­zei­tig direkt beim Kind ankom­men, son­dern durch die wert­vol­le Zusam­men­ar­beit mit Kita und Fami­lie das gesam­te Sys­tem rund ums Kind ent­las­ten.
Kita-Sozi­al­ar­beit kann von allen Fami­li­en kos­ten­los und unver­bind­lich genutzt wer­den. Sie dient als ers­ter Ansprech­part­ner bei allen Fra­gen oder Anlie­gen, die in Fami­li­en auf­kom­men können.

Wel­che Mög­lich­kei­ten bie­tet die Kita-Sozi­al­ar­beit?
Sie bie­tet zum Bei­spiel die Mög­lich­keit, auf ein­fa­chem Weg mög­li­che Erzie­hungs­fra­gen zu klä­ren oder sich Rat in beson­ders belas­ten­den Situa­tio­nen zu holen. Die exter­ne Fach­kraft kann Tipps, Anre­gun­gen oder gar Hil­fe­stel­lung geben und bei Bedarf auch an wei­te­re Hil­fe­sys­te­me ver­mit­teln. Dies kann ganz indi­vi­du­ell im Ein­zel­ge­spräch mit der Fach­kraft oder, soweit erwünscht und sinn­voll, in Zusam­men­ar­beit mit der Kita erfol­gen. Die Eltern kön­nen sich ent­we­der direkt an ihre Kita-Sozi­al­ar­beit wen­den oder über ihre Kita den Kon­takt auf­bau­en.
Grund­sätz­lich wird eine enge koope­rie­ren­de Zusam­men­ar­beit mit den jewei­li­gen Kita-Teams ange­strebt, um ergän­zen­des Fach­wis­sen und beson­de­re Ange­bo­te in den Kita-All­tag einzubringen.

Unter­liegt das gemein­sa­me Gespräch, dass die Eltern mit der Kita-Sozi­al­ar­beit füh­ren einer Schwei­ge­pflicht?
Ja, die Kita-Sozi­al­ar­beit unter­liegt der Schwei­ge­pflicht, sodass Gesprä­che ver­trau­lich blei­ben und die Inhal­te nur bei Bedarf sowie nach Rück­spra­che und Geneh­mi­gung von den Eltern wei­ter­ge­ge­ben werden.

Wie genau sieht Ihre Arbeit in der Kita Essin­gen aus?
In der Kita Son­nen­strahl in Essin­gen bin ich ein­mal pro Woche vor Ort. Um ein Gespür vom Kita-All­tag zu bekom­men, bin ich regel­mä­ßig in den ein­zel­nen Grup­pen zu Besuch. Die­se Gele­gen­heit nut­ze ich gern, um den Spiel­auf­for­de­run­gen der Kin­der nach­zu­kom­men oder ihnen etwas vor­zu­le­sen.
Mir ist der Bezie­hungs­auf­bau zu den Kin­dern und ihren Fami­li­en, aber auch dem Team der Kita sehr wich­tig, daher neh­me ich mir genug Zeit, um fle­xi­bel auf die Bedürf­nis­se ein­ge­hen zu kön­nen.
Ange­bo­te wie der Cof­fee-to-go-Stand vor der Kita zur Bring­zeit bie­te ich ger­ne an, um mit Eltern in Kon­takt zu kom­men. Außer­dem ver­su­che ich an Ter­mi­nen, wie den Eltern­aus­schuss­sit­zun­gen, dem Som­mer­fest der Kita oder an Eltern­aben­den vor Ort zu sein, um eben­falls die Mög­lich­keit zu geben, mich per­sön­lich anzu­spre­chen. Mir ist es wich­tig, dass die Eltern­schaft auch ein Gesicht zu mir hat und mich sehen und wahr­neh­men kann.  

Über wel­che Kom­mu­ni­ka­ti­ons­we­ge sind Sie für die Eltern als Kita-Sozi­al­ar­bei­te­rin erreich­bar?
In der Bring- und auch Abhol­zeit ste­he ich für die Eltern zur Ver­fü­gung, sodass sie mich direkt und per­sön­lich anspre­chen kön­nen, um zum Bei­spiel Ter­mi­ne für einen ers­ten Aus­tausch oder eine Bera­tung zu ver­ein­ba­ren. Alter­na­tiv kön­nen die Eltern mich auch per Mail oder tele­fo­nisch errei­chen. Die Kon­takt­da­ten ste­hen auf mei­nem Fly­er, der im Ein­gangs­be­reich der Kita aus­hängt und auch in der Kita-App geteilt wurde.

Zum Abschluss: Wel­che Chan­cen bie­tet in Ihren Augen die Kita-Sozi­al­ar­beit für Fami­li­en?
Die Arbeit als Kita-Sozi­al­ar­bei­te­rin sehe ich als Mög­lich­keit, gesamt­ge­sell­schaft­lich mit­zu­wir­ken und Fami­li­en in ihrer Lebens­welt zu unter­stüt­zen. Ich möch­te, dass Fami­li­en mit ihren Anlie­gen gese­hen wer­den und sie die Hil­fe und Unter­stüt­zung bekom­men, die sie brau­chen. Manch­mal bedeu­tet das, ein­fach nur da zu sein und zuzu­hö­ren, manch­mal eine Beglei­tung zu Behör­den, Ver­mitt­lung zu Insti­tu­tio­nen oder die Ver­net­zung in den Sozi­al­raum. Es ist immer indi­vi­du­ell und auf die Situa­ti­on der Fami­lie ange­passt, mit Blick auf das Kind.

Ver­fasst von Yvonne Horn, Essingen


Wir bedan­ken uns bei Yvonne Horn (Eltern­aus­schuss Essin­gen) und Miri­am Wei­sen­bur­ger (AGFJ) für die­sen Beitrag!

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Über­sicht Jugend- und Fami­li­en­be­ra­tungs­stel­len. Gra­fik: KV SÜW

RECHTSANSPRUCH AUF KITA-PLATZ VON SIEBEN STUNDEN — MEHR NICHT?

Immer häu­fi­ger wer­den wir mit der Fra­ge kon­fron­tiert, wie viel Betreu­ungs­zeit den Kin­dern in rhein­land-pfäl­zi­schen Kitas denn zusteht. Im (mitt­ler­wei­le nicht mehr ganz so) neu­en Kita-Gesetz ist in §14 hier­zu fol­gen­des zu lesen: “[…] mon­tags bis frei­tags eine täg­li­che Betreu­ungs­zeit von regel­mä­ßig durch­gän­gig sie­ben Stun­den […]”.
Bei vie­len die­ser Anfra­gen han­delt es sich um Eltern, die ent­we­der auf­grund grund­sätz­lich nicht bedarfs­ge­rech­ter Betreu­ungs­zei­ten, wegen häu­fi­ger Kür­zung der Öff­nungs­zei­ten oder gar voll­stän­di­gen Schlie­ßun­gen der Kita im beruf­li­chen Kon­text in die Bre­douil­le gera­ten und das Gespräch mit den Ver­ant­wort­li­chen der Kita suchen. Sehr häu­fig erhal­ten die­se Eltern die sinn­ge­mä­ße Ant­wort: “Ihnen ste­hen ohne­hin nur sie­ben Stun­den zu, sei­en Sie doch froh, dass Sie nor­ma­ler­wei­se mehr Betreu­ung bekommen!” 

Aber ist das wirk­lich so?
Das Deut­sche Insti­tut für Jugend­hil­fe und Fami­li­en­recht (DIJuF) hat sich die­ser Fra­ge in einem Rechts­gut­ach­ten gewidmet.


Neben (bzw. über) dem Rechts­an­spruch aus dem Kita-Gesetz RLP besteht ein bun­des­recht­li­cher Anspruch, der im Kin­der- und Jugend­hil­fe­ge­setz (SGB VIII) for­mu­liert ist. Bereits im Jah­re 1996 wur­de im §24 SGB VIII fest­ge­hal­ten, dass alle Kin­der ab dem voll­ende­ten drit­ten Lebens­jahr Anspruch auf eine bedarfs­ge­rech­te För­de­rung in einer Kin­der­ta­ges­stät­te haben. Seit dem 1. August 2013 gilt die­ser Rechts­an­spruch auch für alle Kin­der ab dem voll­ende­ten ers­ten Lebens­jahr.
Dort ist u.a. zu lesen, dass ein Kind “bis zur Voll­endung des drit­ten Lebens­jah­res Anspruch auf früh­kind­li­che För­de­rung in einer Tages­ein­rich­tung oder in Kin­der­ta­ges­pfle­ge” hat. “Der Umfang der täg­li­chen För­de­rung rich­tet sich nach dem indi­vi­du­el­len Bedarf.”

Für Kin­der bis drei Jah­re gilt also unein­ge­schränkt, dass der ein­klag­ba­re Rechts­an­spruch über die 7 Stun­den des KiTa-Geset­zes hin­aus geht und sich nach den Betreu­ungs­wün­schen der Eltern rich­tet, ohne dass ein indi­vi­du­el­ler Betreu­ungs­be­darf gel­tend gemacht wer­den müss­te — auch nicht mit­tels einer Beschei­ni­gung über die Arbeits­zei­ten der Eltern.
Die Gren­ze für die­sen Bedarf ist das Kin­des­wohl. In der Recht­spre­chung ist aner­kannt, dass eine Fremd­be­treu­ung bis zu 9 Stun­den täg­lich unbe­dingt noch mit dem Kin­des­wohl ver­ein­bar ist. Aber auch für Betreu­ung bis zu zehn Stun­den müss­te eine Ableh­nung fun­diert begrün­det werden.

Für Kin­der ab drei Jah­ren ist im SGB VIII der zeit­li­che Umfang der Betreu­ung nicht ein­deu­tig gere­gelt. Hier greift dann aller­dings Lan­des­recht, wel­ches den Rechts­an­spruch auf sie­ben Stun­den durch­gän­gig kon­kre­ti­siert. Den­noch muss das Jugend­amt “zwin­gend in der Bedarfs­pla­nung das The­ma von Kita-Plät­zen mit Betreu­ungs­um­fän­gen von acht Stun­den und mehr behan­deln, um sei­ner Hin­wir­kungs­pflicht im Bereich der Ganz­ta­ges­plät­ze für Kin­der ab dem drit­ten Geburts­tag bis zum Schul­ein­tritt nach­zu­kom­men.” (Vgl. “Das rhein­land-pfäl­zi­sche Kita-Gesetz, Hand­buch und Pra­xis­kom­men­tar, Burkhard/Roth).
Hier­bei gilt außer­dem: Der Platz muss tat­säch­lich zur Ver­fü­gung ste­hen und in Anspruch genom­men wer­den kön­nen. Ein unter­schrie­be­ner Betreu­ungs­ver­trag oder die theo­re­ti­sche Ver­füg­bar­keit eines Kita-Plat­zes reicht nicht aus, um den Rechts­an­spruch zu erfüllen.

Erfül­lung des Rechts­an­spruchs bei Schließ­ta­gen und Kür­zun­gen der täg­li­chen Betreu­ungs­zeit
Wie ver­hält es sich mit dem Rechts­an­spruch im Fal­le von ein­zel­nen Schließ­ta­gen oder häu­fi­gen Kür­zun­gen der Betreu­ungs­zei­ten?
Grund­sätz­lich besteht eine Ver­pflich­tung des Jugend­am­tes auch wäh­rend den Feri­en­schließ­zei­ten eine ander­wei­ti­ge Betreu­ungs­mög­lich­keit anzu­bie­ten. Gilt dies auch bei ein­zel­nen Schließ­ta­gen oder ver­kürz­ten Öff­nungs­zei­ten?
Auch hier muss wie­der zwi­schen Kin­dern unter drei Jah­ren und Kin­dern über drei Jah­ren unter­schie­den wer­den. Für Kin­der unter drei Jah­ren gilt: Sobald das Betreu­ungs­an­ge­bot unter den indi­vi­du­el­len Betreu­ungs­be­darf fällt, ist der Rechts­an­spruch nicht mehr erfüllt. Bei Kin­dern über drei Jah­ren ist der Rechts­an­spruch noch gedeckt, wenn die Betreu­ungs­zeit die sie­ben Stun­den erfüllt. Außer es wur­de mit­tels Bescheid eine län­ge­re Betreu­ungs­zeit aus­ge­wie­sen, dann gilt der Rechts­an­spruch als nicht mehr erfüllt, wenn die­ser Platz durch die Schließ­zei­ten nicht mehr voll­um­fäng­lich ange­bo­ten wird.
In ent­spre­chen­den Geset­zes­kom­men­ta­ren wird ver­ein­zelt ver­tre­ten, dass es erwerbs­tä­ti­gen Eltern zuge­mu­tet wer­den kann, ihre eige­ne Pla­nung auf kurz­zei­ti­ge Schlie­ßun­gen ein­zu­stel­len bzw. sich in die­sen Fäl­len selbst eine Ersatz­be­treu­ung zu orga­ni­sie­ren. Dies setzt aller­dings vor­aus, dass der­ar­ti­ge kurz­zei­ti­ge Unter­bre­chun­gen des Kita-Betriebs recht­zei­tig bekannt gege­ben wer­den. “Recht­zei­tig” ist in die­sem Fal­le nicht quan­ti­ta­tiv defi­niert, es dürf­te aber unstrit­tig sein, dass die Info am Abend davor oder gar am Mor­gen an der Kita-Tür nicht aus­rei­chend Vor­lauf­zeit bedeu­tet.
Das DIJuF geht dage­gen davon aus, dass Eltern nur in engen Gren­zen ver­pflich­tet sind, selbst für eine Ersatz­be­treu­ung Sor­ge zu tra­gen oder ihre Arbeits­zei­ten an die per­so­nal­be­dingt gekürz­ten Öff­nungs­zei­ten der Kin­der­ta­ges­stät­te anzu­pas­sen.
Die­se Ein­schät­zung dürf­te auch das Emp­fin­den vie­ler Eltern tref­fen: Wenn es gele­gent­lich, durch nicht vor­her­seh­ba­re Umstän­de (z.B. eine Krank­heits­wel­le), zu kurz­fris­ti­gen Aus­fäl­len kommt, ist das Ver­ständ­nis und die Bereit­schaft, auf den Betreu­ungs­an­spruch zu ver­zich­ten, oft sehr groß. Per­ma­nen­te Per­so­nal­nö­te füh­ren aller­dings auch bei berufs­tä­ti­gen Eltern zu Nöten und deu­ten auf struk­tu­rel­le Unstim­mig­kei­ten hin. Mit jeder kurz­fris­ti­gen “Not­be­treu­ung” sinkt auch das Ver­ständ­nis der Eltern.

Im Rechts­gut­ach­ten des DIJuF fin­den sich ergän­zend Infor­ma­tio­nen dazu, ob den Eltern Ersatz­an­sprü­che in Geld zuste­hen, wenn ihnen bei ver­rin­ger­ten Öff­nungs­zei­ten oder Schließ­zei­ten kei­ne Ersatz­be­treu­ung ange­bo­ten wird. 

Fazit
Auch im Rechts­an­spruch spie­gelt sich die hohe Kom­ple­xi­tät des Kita-Sys­tems wie­der. Die schlich­te Redu­zie­rung auf die Ansprü­che aus dem rhein­land-pfäl­zi­schen KiTa-Geset­zes greift aber ins­be­son­de­re bei Kin­dern unter drei Jah­ren deut­lich zu kurz. Die Bestre­bung, Kita-Plät­ze grund­sätz­lich auf sie­ben Stun­den Betreu­ungs­zei­ten zu begren­zen, ist aus meh­re­ren Grün­den kei­ne gute Lösung. Neben den zahl­rei­chen recht­li­chen Aspek­ten, die dage­gen spre­chen, wür­den sich Trä­ger zudem selbst in Bedräng­nis brin­gen. Bei regel­mä­ßi­ger Arbeits­zeit der päd­ago­gi­schen Fach­kräf­te von 39 Stun­den / Woche bedeu­tet eine Redu­zie­rung auf 35 Stun­den Kita-Öff­nungs­zei­ten näm­lich eine Lücke bei der Per­so­nal­kos­ten­er­stat­tung. Auch Kin­der über drei Jah­ren haben ein Anrecht auf eine bedarfs­ge­rech­te För­de­rung in einer Kin­der­ta­ges­stät­te, die über sie­ben Stun­den hin­aus gehen kann.

Ers­ter Ansprech­part­ner bei einem nicht bedarfs­ge­rech­ten Kita-Platz ist immer das zustän­di­ge Jugend­amt, nicht die Lei­tung oder der Trä­ger der Kita. Im Zwei­fel soll­ten sich betrof­fe­ne Eltern recht­lich bera­ten lassen.

Quel­len:

Stel­lung­nah­me des DIJuF zum Geset­zes­ent­wurf der CDU
Rechts­gut­ach­ten des DIJuF
Pra­xis­kom­men­tar zum KiTa-Gesetz