ERFAHRUNGSBERICHTE AUS DER PRAXIS: DAS KITA-KRISENBUCH

Erschre­ckend, aber nicht über­ra­schend — so kann man die Erfah­rungs­be­rich­te meh­re­rer Fach­kräf­te aus dem Kita-All­tag wohl bezeich­nen, wel­che die Rosa-Luxem­burg-Stif­tung in ihrer neu­es­ten Publi­ka­ti­on „Kita-Kri­sen­buch – Sys­tem­ver­sa­gen auf­de­cken“ zusam­men­ge­tra­gen hat.

Die Über­las­tung der Fach­kräf­te ist ein ernst­zu­neh­men­des Pro­blem, wel­ches nicht nur die Fach­kräf­te selbst, son­dern auch das Wohl der Kin­der gefähr­det. Durch Per­so­nal­man­gel und stei­gen­de Anfor­de­run­gen sind vie­le Fach­kräf­te gezwun­gen, mehr Auf­ga­ben zu bewäl­ti­gen, als sie in der Lage sind, ver­ant­wor­tungs­voll zu erfül­len. Die­se Über­las­tung führt nicht nur zu einem erhöh­ten Stress­le­vel und einer hohen Krank­heits-Quo­te unter den Fach­kräf­ten, son­dern hat auch direk­te Aus­wir­kun­gen auf die Betreu­ung und För­de­rung der Kin­der. Wir befin­den uns bereits mit­ten in der Abwärts­spi­ra­le: Per­so­nal­man­gel führt zu Über­las­tung und höhe­rem Kran­ken­stand, die­ser wie­der­um zu noch mehr Personalmangel.


Über­for­der­te Fach­kräf­te kön­nen den indi­vi­du­el­len Bedürf­nis­sen der Kin­der nicht gerecht wer­den. Dies kann zu einer Ver­nach­läs­si­gung der emo­tio­na­len und sozia­len Ent­wick­lung der Kin­der füh­ren. Wie die Erfah­rungs­be­rich­te deut­lich zei­gen, sind auch unge­woll­te kin­des­wohl­ge­fähr­den­de Zustän­de an der Tages­ord­nung. Daher ist es ent­schei­dend, dass die Rah­men­be­din­gun­gen in den Kitas ver­bes­sert wer­den, um sowohl die Fach­kräf­te zu ent­las­ten als auch das Kin­des­wohl zu sichern.

In Rhein­land-Pfalz soll der Maß­nah­men­plan sicher­stel­len, dass die Zustän­de, wie sie aus Ber­li­ner Kitas berich­tet wer­den, nicht zur Tages­ord­nung wer­den. Die damit ver­bun­de­ne Redu­zie­rung von Betreu­ungs­zei­ten stellt für Eltern ein gro­ßes Pro­blem dar, ist aller­dings im Sin­ne des Kin­des­wohls zwin­gend erfor­der­lich. Dies kann man im Kita-Kri­sen­buch ein­drucks­voll nach­le­sen. Eine Fach­kraft für 18 oder gar mehr Kin­der ist zwei­fels­frei mehr als deut­lich zu wenig!

Eben­falls klar ersicht­lich geht aus den Erfah­rungs­be­rich­ten her­vor, wie groß die Ver­ant­wor­tung und der Anteil der Kita-Trä­ger an den Arbeits­be­din­gun­gen ist. Eine aus­rei­chen­de Anzahl an Ver­tre­tungs­kräf­ten ist uner­läss­lich. Denn: Die Ein­schrän­kung der qua­li­ta­ti­ven und quan­ti­ta­ti­ven Betreu­ung im Rah­men des Maß­nah­men­plans ist für Aus­nah­me­si­tua­tio­nen gedacht und stellt kei­nen Frei­brief dafür dar, Betreu­ung redu­zie­ren zu kön­nen statt Per­so­nal ein­zu­stel­len! Auch der nicht zu leug­nen­de Fach­kräf­te­man­gel darf kei­ne Aus­re­de für Untä­tig­keit sein. Bestehen­de Mög­lich­kei­ten, die Per­so­nal­si­tua­ti­on zu ver­bes­sern, müs­sen ver­stärkt genutzt wer­den. Trä­ger und auch Fach­kräf­te dür­fen sich nicht län­ger ver­weh­ren, Lösun­gen wie mul­ti­pro­fes­sio­nel­le Teams oder Ver­tre­tungs­pools umzu­set­zen. Die­se sind kei­ne All­heil­mit­tel, aber Bau­stei­ne auf dem Weg zu bes­se­ren Arbeits­be­din­gun­gen. Auch der zügi­ge Aus­bau der Gebäu­de ist ein Fak­tor, der nicht zu ver­nach­läs­si­gen ist. Auch das Vor­ge­hen, immer mehr Kin­der in zu klei­nen Räum­lich­kei­ten unter­zu­brin­gen und der teils ver­bun­de­ne, täg­li­che Umbau von Grup­pen- zu Essens­raum ist eine Mehr­be­las­tung für das Personal.

Es ist drin­gend not­wen­dig, ver­bind­li­che und wirk­sa­me Maß­nah­men zur Siche­rung der päd­ago­gi­schen Qua­li­tät in den Kitas zu ergrei­fen und die Beschäf­tig­ten zu ent­las­ten. Dies betrifft alle Ebe­nen der Ver­ant­wor­tungs­trä­ger! Es braucht mehr als blo­ße Auf­be­wah­rung, denn es geht um die Kin­der die­ses Lan­des und um die Zukunft unse­rer Gesellschaft.

Quel­le Abbil­dun­gen: Kita-Kri­sen­buch — Rosa-Luxemburg-Stiftung

MAßNAHMEN GEGEN FACHKRÄFTEMANGEL — ÜBERARBEITETE VERSION

Bereits Ende 2023 haben wir auf Basis des “Kom­pen­di­ums des Akti­ons­fo­rums für Fach­kräf­te­ge­win­nung und ‑Siche­rung” eine all­tags­taug­li­che Zusam­men­fas­sung der Hand­lungs­mög­lich­kei­ten gegen den Fach­kräf­te­man­gel erstellt, deren Umset­zung auf Ebe­ne der Kita / des Trä­gers statt­fin­den kann. Über 1000 Down­loads sowie die Rück­mel­dung vie­ler Eltern sind ein Zei­chen dafür, dass die­ses Doku­ment einen klei­nen Bei­trag zur Ver­bes­se­rung der Situa­ti­on vor Ort leis­ten kann.

In der nun ver­öf­fent­lich­ten Neu­fas­sung wur­den nicht mehr funk­tio­nie­ren­de Links aktua­li­siert und ein paar inhalt­li­che Ergän­zung eingebracht. 

Die­se über­ar­bei­te­te Ver­si­on kön­nen Sie sich hier herunterladen:

Im Fal­le von Rück­fra­gen oder Ände­rungs- / Ergän­zungs­wün­schen ste­hen wir ger­ne zur Verfügung!

INFORMATIONEN ZU VERTRETUNGSKRÄFTEN

Die Erkäl­tungs­zeit beginnt, bereits jetzt errei­chen und die ers­ten Mel­dun­gen, dass auf­grund von krank­heits­be­ding­ten Aus­fäl­len des Fach­per­so­nals Betreu­ungs­zei­ten redu­ziert wer­den müs­sen. Für die­sen Fall muss der Kita-Trä­ger Ver­tre­tungs­per­so­nal vorhalten.

Klar ist: Es wird ver­mut­lich nie­mals gelin­gen, dass z.B. bei einer Grip­pe­wel­le sämt­li­che Per­so­nal­aus­fäl­le sofort kom­pen­siert wer­den und Ein­schrän­kun­gen völ­lig ver­mie­den wer­den kön­nen. Lei­der sind in sol­chen Situa­tio­nen auch sehr kurz­fris­tig ver­än­der­te Öff­nungs­zei­ten oder “Not­grup­pen” nicht ver­meid­bar. Wie soll­te der Trä­ger agie­ren, wenn sich mor­gens vier von neun Fach­kräf­ten krank mel­den und so kurz­fris­tig kein Ver­tre­tungs­per­so­nal ver­füg­bar ist? Zum Schutz der Kin­der bleibt ihm dann lei­der kei­ne ande­re Wahl. 

Aber: Es zeigt sich auch immer wie­der, dass es gro­ße Unter­schie­de gibt, ab wel­chem Grad des per­so­nel­len Aus­falls mit der Akti­vie­rung des Maß­nah­men­plans reagiert wer­den muss. Man­chen Kitas steht aus­rei­chend Ver­tre­tungs­per­so­nal zur Ver­fü­gung, sodass wirk­lich nur sol­che Extrem­si­tua­tio­nen zur früh­zei­ti­gen Schlie­ßung füh­ren. Ande­re Ein­rich­tun­gen wie­der­um befin­den sich bei­na­he ganz­jäh­rig im Maß­nah­men­plan und ver­fü­gen über eine nur sehr dün­ne Per­so­nal- bzw. Vertretungskräfte-Decke.

Unse­re Erfah­rung zeigt: Wenn Schlie­ßun­gen und redu­zier­te Ange­bo­te nicht per­ma­nent vor­kom­men son­dern sich auf ein nach­voll­zieh­ba­res Maß beschrän­ken, wenn die Eltern den Ein­druck haben, es wird sich um aus­rei­chend Per­so­nal bemüht und wenn ihnen dar­über hin­aus trans­pa­rent ist, wie die per­so­nel­le Situa­ti­on zustan­de kommt und wie sie sich aus­wirkt, dann haben sie auch gro­ßes Ver­ständ­nis und unter­stüt­zen dann auch in Zei­ten von per­so­nel­len Eng­päs­sen ger­ne. (Hier­zu emp­feh­lens­wert: Das Per­so­na­lo­me­ter).

Sehr häu­fig begeg­nen uns Fra­gen zu den Rege­lun­gen beim Ein­satz von Ver­tre­tungs­kräf­ten. Wer darf Ver­tre­tungs­kraft sein? Kann ein Ver­tre­tungs-Pool ein­ge­rich­tet wer­den? Wie wer­den Ver­tre­tungs­kräf­te finan­ziert?
Die­se und wei­te­re Fra­gen wer­den nun auf dem Kita-Ser­ver, der offi­zi­el­len Web­sei­te des Lan­des RLP zu allen Kita-The­men, beantwortet.

Ins­be­son­de­re der Abschnitt zur Refi­nan­zie­rung von Ver­tre­tungs­kräf­ten mit kon­kre­tem Rechen­bei­spiel hat dabei unse­re Auf­merk­sam­keit geweckt. Dort heißt es:
Dabei wer­den Urlaubs­ta­ge, Krank­heits­ta­ge und Fort­bil­dungs­ta­ge berück­sich­tigt und ent­spre­chend mit­fi­nan­ziert, denn die Kos­ten für die­se Tage – an denen die Ver­tre­tungs­kraft nicht zum Ein­satz kommt – wer­den auf alle Tage umge­legt, an denen die Ver­tre­tungs­kraft zum Ein­satz hät­te kom­men kön­nen.
Das häu­fig auf­kom­men­de Argu­ment, Ver­tre­tungs­kräf­te sei­en ein gro­ßes, finan­zi­el­les Risi­ko, soll­te vor die­sem Hin­ter­grund ein­mal genau­er betrach­tet werden.