VERTRETUNGSKRÄFTEPOOL – EIN SCHRECKGESPENST?

Der Personalmangel in den Kitas in Rheinland-Pfalz ist in aller Munde. Allerdings zeichnet sich landesweit und auch im Kreis SÜW ein sehr inhomogenes Bild. Während sich manche Einrichtungen seit Monaten quasi permanent im Maßnahmenplan befinden, beschränken sich verkürzte Öffnungszeiten und Notgruppen in einigen Einrichtungen auf die wenigen Tage im Jahr, wo z.B. durch Krankheitswellen ein erheblicher Teil des pädagogischen Personals kurzfristig und gleichzeitig ausfällt. Auch die Umfrage das des KEA SÜW zur aktuellen Situation in den Kitas wies deutliche Unterschiede nach, was die Häufigkeit der Betreuungseinschränkungen betrifft.

HINTERGRUNDINFORMATIONEN AUSKLAPPEN

Doch woran liegt das?
Der Personalschlüssel einer Kita berechnet sich anhand der Platzanzahl der Kita sowie der Betreuungsdauer der Kinder. Hierzu werden die Eltern jährlich zu ihren Bedürfnissen befragt. Auf Basis der Rückmeldungen werden in einem gemeinsamen Gespräch zwischen Elternausschuss, Träger, Kita-Leitung und Jugendamt die Öffnungszeiten definiert und das zur Betreuung erforderliche Personal berechnet. Diese Berechnung beinhaltet keine Abwesenheiten durch Krankheit, Urlaub oder Fortbildung, sondern stellt das Minimum des Personalbedarfs da, um alle Kinder für die gesamte geplante Betreuungsdauer aufnehmen zu können. Der Träger der Einrichtung ist gesetzlich dazu verpflichtet, dieses Personal ganzjährig bereit zu halten.

Vertretungskräfte
Ausgefallenes Personal muss demnach immer ersetzt werden. Hier kommen die Vertretungskräfte ins Spiel. Diese können ebenfalls Fachkräfte, Fachkräfte in Assistenz oder auch Menschen ohne pädagogische Ausbildung sein. Um den Personalschlüssel ganzjährig aufrecht erhalten zu können, muss ein Kita-Träger also mehr Personal beschäftigen, als er für den Betrieb laut Bedarfsplanung zugeteilt bekommt. Dieser Mehrbedarf ist abhängig von der durchschnittlichen Ausfallquote des Teams und beträgt laut Fachliteratur in der Regel ungefähr 14-18%.

Insbesondere Träger, die lediglich über eine einzelne Kita verfügen (z.B. kommunale Kitas kleiner Gemeinden wie in SÜW weit verbreitet), haben an dieser Stelle Schwierigkeiten, da ein Personalüberhang mit einem gewissen finanziellen Risiko verbunden ist: Vertretungskräfte über dem regulären Personalschlüssel werden von Kreis und Land nur dann mitfinanziert, wenn sie tatsächlich zum Einsatz kommen. Ist das Stamm-Team komplett, erhält der Träger keine Personalkostenzuschüsse für die Vertretungskraft.

Sind Vertretungskräftepools bzw. Springerpools die Lösung?
Träger großer Einrichtungen und Trägerverbände mit mehreren Kitas sind hier deutlich im Vorteil. Durch den grundsätzlich größeren Personalstamm ist das Risiko kleiner, dass die Vertretungskraft nicht zum Einsatz kommt. Insbesondere wenn Fachkräfte einrichtungsübergreifend eingesetzt werden, lassen sich Maßnahmenplan und Notbetreuung weitestgehend vermeiden. Doch selbst innerhalb dieser Trägerverbände wird nur selten zu diesem Mittel gegriffen. Als Begründung werden stets dieselben Argumente angeführt:

  • Springerpools sind aus pädagogischer Sicht nicht sinnvoll, weil die Kinder mit dem häufig wechselnden Personal Schwierigkeiten haben.
  • Das finanzielle Risiko ist zu groß, wenn Fachkräfte aus diesem Pool nicht zum Einsatz kommen.
  • Springerkräfte finden auch im Team keinen Anschluss

Ein Positiv-Beispiel: Herxheim
Dass diese Befürchtungen zum größten Teil unbegründet sind, wird in der größten Kommune im Kreis Südliche Weinstraße eindrucksvoll bewiesen. In den vier kommunalen Einrichtungen werden aktuell rund 420 Kinder betreut. Die Verwaltung der Kitas in den Ortsgemeinden Herxheim und Herxheimweyher mit 25 Plätzen wird gemäß Gemeindeordnung von der Verbandsgemeinde Herxheim übernommen. Dort wurde in den vergangenen Jahren eine professionelle Trägerstruktur geschaffen, die die einzelnen Einrichtungen bestmöglich unterstützt und vorbildliche Rahmenbedingungen schafft. Auch beim Thema Vertretungskräfte sind die Ortsgemeinden schlagkräftig aufgestellt: Seit bald zehn Jahren wird das Stammpersonal der Kitas von Springerkräften unterstützt. Das Konzept sieht vor, dass jede Springerkraft einer bestimmten Kita fest zugeteilt ist, wo sie im Regelfall auch ihren Arbeitsalltag verbringt. Herrscht in einer Einrichtung akute Personalknappheit, hilft die Springerkraft dort aus. Durch den regelmäßigen Einsatz in den Nachbar-Kitas sind die Springerkräfte bei Kindern und Team bestens bekannt und vollständig integriert. Berührungsängste bei den Kindern oder Komplikationen in der Zusammenarbeit der Fachkräfte existieren nicht. Im Gegenteil: Insbesondere die Kinder freuen sich über die gelegentliche Abwechslung und empfinden es als positiv, wenn die Springerkraft aus einer anderen Kita in die Gruppe kommt.
Insgesamt beschäftigen die Ortsgemeinden Herxheim und Herxheimwehyer ungefähr 30-50% der durchschnittlichen Personal-Ausfallquote über dem berechneten Personalschlüssel. Die Zahl unterliegt ständigen Schwankungen, da dieser Puffer auch bei kurzfristig entstandenen, dauerhaften Ausfällen des Stammpersonals (z.B. durch Schwangerschaft) zum Tragen kommt und positive Effekte zur Folge hat: Es steht ohne akuten Handlungszwang hinsichtlich Personalsuche sofort Ersatz zur Verfügung. Auch die aufgrund der Bedarfsplanung jährlich entstehenden geringfügigen Schwankungen des Stammpersonals können somit ohne Kraftanstrengungen kompensiert werden. „Ein finanzielles Risiko entsteht dadurch nicht. Die nicht refinanzierten Personalkosten sind verschwindend gering“, so David Jochim, der zuständige Fachbereichsleiter der Verbandsgemeindeverwaltung. Ab 30% dauerhafter Kompensation der ausfallenden Personalstunden sorgt ein Springerpool bereits für deutliche Entlastung, so die Erfahrungswerte David Jochims.
Am fiktiven Rechenbeispiel zeigt sich, was diese Zahl bedeutet: Ein Zusammenschluss von drei Kitas mit insgesamt 175 Plätzen und einer durchschnittlichen Personalausfallquote von 20% könnte mit rund 1,5 Vollzeitäquivalenten im Springerpool die Situation für Fachkräfte und Eltern bereits spürbar verbessern.

Die beiden Ortsgemeinden setzen hierbei ausschließlich auf unbefristete Arbeitsverträge. Auch Schwangerschaftsvertretungen werden nicht nur für die Dauer der Schwangerschaft und Elternzeit der ausgefallenen Fachkraft eingestellt. „Wir haben eine sehr geringe Fluktuation, aber durch längere Krankheitsausfälle, Nachwuchs oder dem Wunsch nach Veränderung der Wochenarbeitszeit entsteht immer wieder ein Bedarf. Es gibt für uns keinen Grund, Arbeitsverträge zu befristen.“, erklärt David Jochim. „Unser System funktioniert und hatte sich nach wenigen Jahren eingependelt.“

Auch über das Personalmanagement hinaus erfahren die Verantwortlichen der Einrichtungen große Unterstützung durch die Mitarbeiter der Verbandsgemeindeverwaltung und werden so deutlich entlastet. Durch Schaffung von gemeinsamen Strukturen und Standards wird den Leitungen und Ortsbürgermeistern viel bürokratische Arbeit abgenommen. Hierdurch entsteht eine große Effizienz und insbesondere auch ein hoher Qualitäts-Standard.
„Als Verbandsgemeinde leisten wir hierzu unseren Beitrag in Form von Verwaltungspersonaleinsatz. Um die Belange der kommunalen Kitas kümmert sich eine sehr engagierte und kompetente Mitarbeiterin, welcher die hierfür erforderlichen zeitlichen Ressourcen zur Verfügung stehen. Wir tun das aus Überzeugung, weil uns die Bedürfnisse der Familien und Mitarbeitern in den Kitas wichtig sind. Die positiven Rückmeldungen der Eltern so wie die allgemein vergleichsweise gute Situation in unseren Einrichtungen bestätigt uns dabei.“, so David Jochim zu den Beweggründen.

Die Elternvertretungen plädieren landesweit dafür, professionelle Trägerstrukturen zu schaffen. Durch Optimierung von Verwaltungsprozessen und Nutzung von gemeinsamen Strukturen für mehrere Einrichtungen kann das System Kita eine deutliche Verbesserung für alle Beteiligten erfahren. Fachkräfte, Eltern, Kinder und auch Träger profitieren davon. Im nördlichen Rheinland-Pfalz sind solche Strukturen bereits weiter verbreitet. Auch dort sind die Erfahrungsberichte durchweg positiv.

Der Kreiselternausschuss SÜW bedankt sich bei der Verbandsgemeinde Herxheim im Namen der Eltern für diese familienorientierte Vorgehensweise sowie die Unterstützung zu diesem Beitrag.

Links und weiterführende Informationen:

Beispiele für Trägerverbände:
https://www.vg-herxheim.de/leben/kindertagesstaetten
https://www.xn--nordpflzerland-bib.de/leben-in-der-vg/kindertagesstaetten/
https://www.unikathe.de/start/
https://www.verbandsgemeindeweissenthurm.de/buergerservice-rathaus/jugend-familie-bildung/kindertageseinrichtungen/

So könnte eine inhaltlich attraktive Stellenanzeige aussehen

Beitrag zur Trägerverantwortung

Mögliche Maßnahmen gegen den Fachkräftemangel

Beitrag teilen:

TRÄGERQUALITÄT = TRÄGERVERANTWORTUNG!


Das Kita-System ist komplex – rechtlich sowie inhaltlich. Eine Kita zu führen ist kein Selbstläufer. Auch wenn eine engagierte Leitung und ein motiviertes Team einen großen Einfluss haben, ist der Träger der entscheidende Faktor, wenn es um die Qualität einer Kita geht. Professionelle Trägerstrukturen sind in vielerlei Hinsicht erforderlich, um einen funktionierenden Betrieb zu ermöglichen. Dabei sind viele unterschiedliche Themengebiete von enormer Bedeutung. Hierzu zählen z.B.:

  • Pädagogische Konzeption
  • Personalmanagement
  • Ausbildung
  • Finanzierung
  • Qualitätsmanagement
  • Betriebserlaubnis
  • Bedarfsplanung
  • Gesetzliche und rechtliche Vorgaben
  • Sicherheit & Arbeitsschutz
  • Gebäudemanagement
  • Kindeswohl
  • Aufsichtspflicht
  • Weiterqualifizierung (eigene sowie des Personal)
  • Elternmitwirkung
  • uvm.

Die Vielfalt und Komplexität dieser Themen stellt Kita-Träger vor große Herausforderungen. Einige Träger, insbesondere kommunaler Kitas (in der Regel ehrenamtliche Bürgermeister), fühlen sich durch diese große Verantwortung teilweise zurecht überfordert.

Der Deutsche Verein für öffentliche und private Fürsorge e.V. hat in seiner jüngsten Veröffentlichung nun konkrete Empfehlungen zum Thema Trägerqualität formuliert, die den Verantwortlichen als Hilfestellung dienen soll. Die Empfehlungen richten sich in erster Linie an Träger von Kindertageseinrichtungen und ihre geschäftsführenden, verantwortlichen Personen und Gremien, Fachberatungen und verantwortliche Geschäftsbereiche, Kita-Leitungen, Verbände der Freien Wohlfahrtspflege und der Kommunen (Bürgermeister oder Kommunalverwaltungen, Jugendämter) sowie an die Vertreter der mit diesem Thema befassten Bundes- und Länderministerien und ihrer Behörden. Aber auch für Elternvertretungen lohnt es sich mit dem Thema zu befassen und sich Kenntnis darüber anzueignen, was die Aufgaben eines Kita-Trägers sind und wie diese konkret ausgestaltet sein können.

Aus Sicht der Elternvertretungen ist aufgrund der sehr hohen Anforderungen an Kita-Träger der Aufbau einer professionellen Trägerorganisation der kommunalen Kitas in Zweckverbänden oder auf Ebene der Verbandsgemeinden empfehlenswert!

Zur Homepage des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V.

40 MILLIONEN EURO ZUSÄTZLICH FÜR KITAS IN RLP

Pünktlich zu Weihnachten hat die Landesregierung ein besonderes Geschenk für die Kitas in Rheinland-Pfalz bekannt gegeben: Ein Sonderprogramm für Baumaßnahmen der Kitas in Höhe von 40 Millionen Euro!

„Damit wir schneller mehr Betreuungsplätze schaffen können und Kindern und Erzieherinnen und Erziehern in Rheinland-Pfalz gute räumliche Bedingungen bieten können, unterstützen wir die Kommunen für 2023 und 2024 zusätzlich mit insgesamt 40 Millionen Euro für den Kita-Ausbau“, erklärte Ministerpräsidentin Malu Dreyer.
Bisher gab es beim Um-, An- oder Neubau einer Kita auch schon Förderungen durch das Land. Dies war allerdings damit verbunden, dass komplett neue Betreuungsplätze geschaffen wurden. Der Haken bei der Sache: Wurde eine Kita nur erweitert, um eine durchgängige Betreuung zu ermöglichen (z.B. durch Anbau von Schlaf- oder Essensräumen), gab es keine Landesförderung.

Das Sonderprogramm wurde nun dahingehend erweitert, dass auch Baumaßnahmen, die dem Platzerhalt dienen, förderfähig sind.

„Bei Baumaßnahmen gehe es dann um Platzerhalt, wenn zum Beispiel allen Kindern eine Übermittagsbetreuung angeboten werden soll und deshalb weitere Ess- und Ruheräume geschaffen werden“, erläuterte Bildungsministerin Dr. Stefanie Hubig. „Wir unterstützen die Kita-Träger dabei, allen Kindern und den Fachkräften, die in unseren Kitas arbeiten, ausreichend große, ausreichend gut ausgestattete Räume zu bieten. Sei es in Bezug auf die Essenssituation, Schlafräume, Rückzugsmöglichkeiten für die Kinder, aber auch für die Erwachsenen wie beispielsweise Pausenräume. Denn all das gehört zu einem guten Kita-Alltag dazu“, so die Ministerin.

Zusätzlich zur finanziellen Unterstützung wurde auch ein Online-Portal eingerichtet, auf welchem künftig zentral und umfassender als bisher über Möglichkeiten der Förderung sowie der Gestaltung von Kita-Räumlichkeiten aufgeklärt werden soll. Das Portal ist zu finden unter: www.kitabau.rlp.de 

Aus Sicht der Elternvertretungen ist dieses Vorgehen eindeutig zu begrüßen. Die Kritik in der öffentlichen Berichterstattung ist an der Stelle nicht nachvollziehbar. Natürlich ist dieser Betrag nicht ausreichend, um alle Sorgen des Kita-System über Nacht zu beenden. Aber das Land setzt damit ein deutliches Zeichen, nämlich dass die Priorität bei den Kitas liegt. Dieses Geld wäre sicher auch in ganz vielen anderen Bereichen wie Verkehr, Digitalisierung, Wohnraum, etc. gut investiert gewesen. Die Entscheidung fiel aber explizit auf die Kitas!

Zur Pressemeldung